Friederike Altmann













… FA hat die Wicken und Winden und (Un)Kräuter, gesammelt, in ihrem Atelier auf dem Ravensbrücker Gelände – ja: aufgebahrt, getrocknet, so als enthielten diese Pflanzen, die Nachkommen sämtlicher Pflanzenfamilien, die hier in den letzten 80 Jahren gediehen, etwas von dem kollektiven Gedächtnis, so als hätten ihnen ihre Vorfahren und Familienangehörigen (wie die unseren) davon berichtet. Die Künstlerin hat sich ihr Herbarium hat zusammengestellt, das wir in diesen Werken wiederfinden. Es versucht, die Perspektive und die Projektionen der Insassinnen nachempfindbar zu machen. So als könnte das sinnliche Ergreifen dieser pflanzlichen Zeugen zum einem Begreifen führen. Und vielleicht funktioniert das auch. Ganz still und in der demütigen Haltung des Einsammelns…“
„… Diese Veredelung des Niedrigen und Erniedrigten spiegelt sich allerdings nicht nur in den Motiven von FA s Arbeiten. Sie spiegelt sich auch in den verwendeten künstlerischen Techniken: Da ist das Nähen, diese nach Hingebung und meist gebeugter Haltung verlangende, zumeist weibliche Tätigkeit. Die Kleidung, die zweite Haut, die Dürftigkeit und Gleichartigkeit des Individuums – das dadurch einmal mehr seiner Individualität beraubt wurde und dadurch zu einem immer besseren Objekt der körperlichen Ausbeutung und Missachtung. Die Arbeit an den Nähmaschinen, 12 Stunden und mehr bis zum Versagen der Kräfte. Natürlich ist es eine Anmaßung zu behaupten, einmal barfuss auf dem glühenden Asphalt gestanden zu haben und mit kleinen Stichen stundenlang Bilder zu besticken, nach denen keiner gefragt hat. Eine Anmaßung, damit die unbarmherzige Maschinerie eines Lagers verstanden zu haben. Doch erst diese künstlerische Anmaßung öffnet uns, den Betrachterinnen eine Tür zu diesen Prozessen und –leider- auch zu der ständigen und universellen Möglichkeit ihrer Wiederkehr. Das war und ist im Kern auch die lebenslange Mission eines Kreises von ehemaligen Ravensbrückerinnen….“
Auszug aus Eröffnungsrede zur Ausstellung „Niemand ist entlassen“, 2018
Susanne Altmann, Kunsthistorikerin